Von der Genese eines Theaterstückes, diversen Qualen und reinigenden Gewittern

Zimmertheater Steglitz: Wie ein Theaterstück entstehtKarel Čapek-Abend mit Valentin Leivas und André Rauscher 

Berlin, 12. März 2022: Nach Heine-, Tucholsky- und Thomas-Bernhard-Abend durften wir nun auch einen Karel-Čapek-Abend im Zimmertheater Steglitz genießen. Karel Čapek (1890 bis 1938) – einem größeren Publikum vielleicht eher bekannt durch seine Romane Hordubal und Der Krieg mit den Molchen – legte 1933 mit Wie ein Theaterstück entsteht ein Werk vor, das keineswegs nur Theaterleuten gefallen dürfte. Gerade auch für jene, die jenseits des Vorhangs sitzen und sich aufs Konsumieren konzentrieren, bietet die Welt des Theaters und Theatermachens interessante Einblicke. Und das auch noch fast 90 Jahre nach dem Erscheinen des Werkes. Dabei sind die Vorgänge um Autoren, Regisseure, Schauspieler, Requisiteure, Bühnenbildner etc. bei Čapek nicht immer bierernst zu nehmen und gleichzeitig eben aber doch genau das.
Valentin Leivas und André Rauscher boten Čapeks Stück in Form einer szenischen Lesung dar. Dachte ich anfangs noch: Warum Lesen und nicht gänzlich spielen (?), so erklärte sich dies im Verlaufe des Abends von selbst und André Rauscher betonte nach der Vorstellung, dass es sich hierbei nicht um ein Theaterstück handelt, zudem gebe es mehr als zwei Rollen und zahlreiche Erzähltexte dazwischen. So habe man die Aufführung der Art des Werkes angepasst. Und somit ist es eine runde Sache.
Die Zuschauer erfuhren in den gut eineinhalb Stunden dieser Premieren-Vorstellung also die Genese eines Theaterstückes von der Ankunft im Theater bis zur Premiere, erfuhren, welche Qualen der Autor auszustehen hat, aber auch der Regisseur. Sie erfuhren weiter auf witzig-ironische Weise von Schauspielern, die gerade nicht spielen können, von unfertigen Requisiten und Garderoben, von Donnerwettern und reinigenden Gewittern und fragen sich bisweilen amüsiert, wie das denn am Ende alles klappen soll. Und doch: Es klappt. Irgendwie. Wenn auch anders als geplant. Aber egal. Das Publikum bei Čapek merkt scheinbar ohnehin nicht, dass das wichtigste Stück im Stück fehlt und auch die Kritiker kriegen ihr Fett weg, der eine schreibt so, der andere so und der arme Autor weiß am Ende gar nicht mehr, ob sein Stück eigentlich gefällt oder nicht. Und der Regisseur ebenso nicht. Zwar gibt es großen Applaus, doch wie kann der wahrhaftig sein, wenn das Stück durch den Premierenfehler gar nicht verständlich werden konnte?
Im Zimmertheater gabs am Samstag keine Premierenfehler, die Einblicke ins Theatermachen waren informativ, interessant, eindrucksvoll, unterhaltsam und vergnüglich. So war der Applaus am Ende durch das Verständnis für das Werk durchaus ernst zu nehmen und ebenso ernst gemeint und diese Rezension ist es auch. © Kerstin Weber

Gekipptes Bild mit Medea wieder aufgerichtet

Mein gekipptes Bild vom Berliner Ensemble (siehe unten) hat sich Anfang des Monats beim Besuch der Vorstellung von Medea wieder aufrichtet. Da bin ich aber froh, Mann Mann Mann. 🙂

Stichwort-Rezension: Günter Rüdiger mit Tucholsky-Abend im Zimmertheater

Berlin, 5. Februar 2022. Zimmertheater Steglitz. Anregende Mischung aus Information und Unterhaltung. Kurt Tucholsky mit Vielseitigkeit in seinen Texten – Günter Rüdiger mit ebensolcher in seinem Programm: Sprechend. Rezitierend. Singend. Schauspielend. Sein direktes Zugehen auf das Publikum. Dieses ist bei der Sache. Denkt mit. Lacht mit. Will beinahe mitspielen. Den Tucholsky haben wir besser kennen gelernt. Und zudem erfahren, woher die Löcher im Käse kommen (Titel des Programms). Etwa fünf Zugaben – Alle Achtung!  © Kerstin Weber

Stichwort-Rezension: Junges Orchester der FU mit Schubert und Grieg

Berlin, 28. Januar 2022. Emmauskirche Kreuzberg. Tolles Konzert des Jungen Orchster der FU Berlin. Mit Schuberts Grosser C-Dur-Sinfonie. Und Griegs Klavierkonzert d-Moll Opus 16. Letzteres gefiel uns sehr gut. Melodiös. Erfrischend. Gefällig. Applaus für das Spiel des 19-jährigen Pianisten Daniel Streicher. Und für das anmutige Dirigieren von Antoine Rebstein. © Kerstin Weber

Quirliges Springen mit schnellen Fingern über die Tasten

Kammermusiksaal der Philharmonie: Axel Zwingenberger mit Boogie-Woogie Hits

Berlin, 7. Januar 2022. Axel Zwingenberger erfrischte uns mit flotten Rhythmen. Mich indes bereits zum zweiten Male. Vor gut 15 Jahren hatte ich ihn schon einmal erlebt und auch damals beeindruckte mich sein Spiel auf dem Flügel. Das hat natürlich auch etwas mit der Musik zu tun, der Boogie-Woogie ist aus Takt-Gründen an sich schon mitreißend, Axel Zwingenberger zelebriert diesen zudem vortrefflich, schiebt einen kleinen Blues dazwischen und erzählt über seine Sessions mit den Großen dieses Genres.
In das Spiel steigert er sich hinein, springt quirlig mit den schnellen Fingern über die Tasten, wippt dabei permanent mit dem rechten Fuß im auffälligen roten Lackschuh und ist selbst so begeistert vom Spiel und der Musik, dass es eine Freude ist, ihm sowohl zuzuhören als auch zuzuschauen. Und was ist anders im Vergleich zu früher? Nun er ist – wie wir alle – ein bisschen älter und grauer geworden, sein Spielfreude dagegen ist nicht gealtert und ergraut, sie ist ungebrochen und fasziniert. Sein Spiel ist – so scheint mir – noch virtuoser geworden. Ein Genuss also, diesem Meister auf den Tasten einmal mehr live zu erleben und schließlich selbst beschwingt und erhitzt in die kühle Januar-Nacht hinaus zu gehen. © Kerstin Weber

Western-Style, getunte Sprache und platte Witze

Berliner Ensemble: Enttäuschend niederschwelliger Klamauk mit dem Diener zweier Herren

Berlin, 8. Januar 2022. Eigentlich wollten sich keine schwarzen Worte auf weißen Untergrund bringen lassen für diese Inszenierung. Gedacht: Ja. Enttäuscht: Ja. Flüchten wollend: Ja. Und dann auch noch darüber schreiben: Nein. Und nun doch. Ein paar wenige Worte.
Am Anfang war es tatsächlich mein Fehler: Ich hatte da etwas anderes im Gedächtnis gehabt, als ich micht entschied, im Berliner Ensemble Goldonis Der Diener zweier Herren in der englischsprachigen Bearbeitung von Antú Romero Nunes zu sehen. Bauschen wir das anstrengende zweistündige Unten-Schauen-was-passiert und Oben-lesen-was-gesagt-wird nicht auf, es reicht, sich an Stück und Inszenierung aufzureiben.
Von Natur aus schon nicht hintergründig oder gar tiefsinnig (ja ja, das muss es auch geben), wurde das Ganze nun auch noch in den Western-Style gesetzt. Denke, denke: Warum? Keine Ahnung. Neben platten Witzen ward auch die Sprache getunt und platt, sehr gegenwärtig und bisweilen banal. Denke, denke: Warum? Keine Ahnung.
Dabei will ich ganz ausdrücklich betonen, dass die Schauspielerinnen richtig gut waren, insbesondere Stefanie Reinsperger, die ein großes komödiantisches Talent bewies.
Was da allerdings aufgebläht und nicht enden wollend über die Bühne tobte, war ganz einfach Klamauk. Na klar, der hat auch seine Berechtigung, wie so vieles heutzutage. Nur waren wir hier nicht in einem Theater, in welches wir genau deshalb gehen würden (rein theoretisch), wir waren im Berliner Ensemble. In DEM Berliner Ensemble!
Das passte also für mich nicht zusammen und so kippte mein Bild von diesem Theater, das für mich als eines der letzten der Hochkultur dieser Stadt galt, entschieden in die Schieflage (siehe Foto). Mal schauen, ob es sich bei den nächsten Besuchen wieder aufrichtet. © Kerstin Weber